Körpergerüche, das ist jedermann bekannt, werden als unangenehm empfunden. Schon die Vorstellung, ein anderer könnte unseren Achselschweiß wahrnehmen, lässt uns eine Dusche nehmen. Aber damit nicht genug. Um Geruch erst gar nicht aufkommen zu lassen, benutzen viele Menschen einen Deoroller oder greifen zu künstlichen Düften.
Das Geschäft mit Parfüm und Aftershave boomt und zwar nicht nur, weil diese Düfte zum Inbegriff des guten Körpergeruchs geworden sind, sondern auch, weil man mit ihnen unverhohlen locken kann. Chanel No 5 oder Aramis dürfen das Geschlecht anzeigen, Erotik ausstrahlen, eine Duftspur hinterlassen und sagen: Hier bin ich!
All das ist dem Schweißgeruch nicht erlaubt, geschweige denn dem Geschlechtsgeruch. So hat es jedenfalls den Anschein. Auch scheint es auf den ersten Blick, dass wir unseren Düften nicht viel abgewinnen können. Doch es scheint nur so, denn was im Tierreich unerlässlich das Geschlechtsleben regelt, spielt auch im Sexualleben des Menschen eine nicht unerhebliche Rolle.
Inhaltsverzeichnis
Studie über Düfte
Das zumindest ist meiner Studie zu entnehmen, die die Botenstoffe der Liebe aufspürt und das innigliche Verhältnis von Geruch und Sexualität beschreibt.
Diese Studie ist das Ergebnis meiner fünfjährigen Forschungsreise ins Reich der Düfte; einer Reise, auf der ich eine Befragung durchführte, weil bis dato noch niemals Menschen zu ihren Geruchswahrnehmungen befragt worden waren. Und einer Reise, die mich zwang, unbekanntes Forscherterrain zu betreten sowie eine Vielzahl von Wissenschaftlern aufzusuchen, um mich im Land des Riechens nicht zu verirren.
Ich habe beispielsweise Neurobiologen kennengelernt, die mir geduldig die Funktion unseres Riechsinns und Gehirns erklärten; Mediziner, die mir Zusammenhänge zwischen der Nase und Geschlecht aufzeigten; Psychologen, die mir deutlich machten, welche Macht Gerüche besitzen können und Biologen, die das menschliche Säugetier völlig unbekümmert mit Mäusen, Hunden und Schweinen vergleichen, wenn es um bestimmte sexuelle Geruchsverhalten geht.
Damit nicht genug. Ich habe auch einen Parfümeur aufgesucht, der mich schulte und in die geheimnisvolle Welt der Parfümessenzen einführte; ich unternahm ausgiebige Museumsbesuche und bin auf den Spuren von Patrick Süskind gewandelt.
Der Autor des Bestsellerromans Das Parfüm hatte nämlich Grasse, die Hauptstadt des Parfüms, besucht um ebenso wie ich das Geheimnis der Parfüms zu entschlüsseln. So konnte Süskind seinem geruchlosen Helden Jean-Baptiste Grenouille den richtigen Körperduft an die Hand geben, und ich die winzigen Geruchspartikel benennen, ohne die ein Parfüm keine Seele hat. Partikel, die unseren Düften in der Achsel, am Kopf, Geschlecht und Anus so ähneln.
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Welche Stoffe sind das?
Ich spreche von artverwandten, zumeist animalischen Stoffen, die Chemikern, Pharmazeuten und Parfümeuren völlig geläufig sind; etwa die Fäkaldüfte Skatol oder Indol, über die sie ebenso selbstverständlich reden, als sprächen sie über 4711. Vielleicht liegt das ja daran, weil selbst 4711 eine ordentliche Portion tierischen Duftes enthält, und zwar Moschus.
Moschus ist auch dem Laien bekannt, ebenso Ambra, Zibet und Bibergeil, aber anders als den eigenen Körpergeruch verdammen wir jene Düfte nicht, die doch pur höchst unangenehm riechen und von undelikaten Stellen stammen: Zum Beispiel aus dem Darm des Wals (Ambra), aus Drüsen zwischen After und Geschlecht (Zibet von der Zibetkatze), oder an der Scheide bzw. der Vorhaut vorkommen, wie beim Biber (Castoreum oder Bibergeil) und dem männlichen Moschustier.
Der kultivierte Mensch legt diese Riechstoffe ohne Bedenken an, die mit mehr als hundert anderen Bestandteilen beispielsweise Opium oder Ägoiste ausmachen. Warum? Weil sie kaum noch zu erkennen sind und trotzdem ihre Aufgabe erfüllen, und weil zu recht davon ausgegangen wird, dass diese eine ähnliche Signalwirkung und erotische Anziehungskraft besitzen wie Körperdüfte.
Was Parfümeure schon lange behaupten und die Absatzahlen der schönen Düfte belegen, zeigt auch meine Befragung, an der 432 Personen teilnahmen. Danach werden 48,4 % der Befragten vom Körpergeruch ohne Parfüm sexuell stimuliert und nahezu ebenso viele, nämlich 45,8 %, von einer Mischung aus Körpergeruch und Duftstoffen.
Der Anteil derjenigen, die von diesen und anderen Körperdüften erotisiert werden, liegt aber noch um einiges höher. Insgesamt nennen 76,4 % der Untersuchungsteilnehmer verschiedenste Düfte des Körpers, wozu auch der Achsel- und der Intimgeruch gehören.
Allerdings unterscheiden sich diesbezüglich die Angaben der Männer und Frauen. Generell kann man sagen, dass Frauen eher von Düften oberhalb und Männer eher von Düften unterhalb der Gürtellinie angezogen werden.
Das heißt jedoch nicht, dass Frauen Intimgerüchen nichts abgewinnen können, ganz im Gegenteil. Sie reagieren, ebenso wie die Männer, sensibel auf den „richtigen“ und „falschen“ Duft, ob er sich nun am Geschlecht, in der Achsel oder an den Füßen befindet.
Der falsche Duft kann auch schon einmal zum Abbruch einer sexuellen Handlung führen und der richtige eine Frau „völlig antörnen“. Neben diesen wahrnehmbaren Gerüchen sendet der Körper aber auch Düfte aus, die nicht von jedermann gerochen werden oder unbewusst wirken. Es sind Duftstoffe, die vornehmlich in der Achsel vorhanden sind, sie finden sich aber auch am Geschlecht und im Urin.
Die Rede ist von Androstenol und Androstenon. Das eine riecht moschus- und das andere urinähnlich. Im Tierreich nennt man diese Geruchsstoffe Pheromone, und sie bringen etwa das weibliche Hausschwein dazu, sich vom Eber besteigen zu lassen.
Wie wirken solche Düfte auf Menschen?
Derart archaisch und unverhohlen geht es allerdings bei uns Menschen nicht zu, wie jedermann weiß, aber, und das ist unbestritten, diese Stoffe haben auch beim Homo sapiens die Hand im Spiel. So zeigen etwa Studien, dass sich Frauen mit ihrem Achselschweiß gegenseitig beeinflussen können, was dazu führt, dass sie zum selben Zeitpunkt die Regel bekommen.
Männergeruch kann andere Männer auf Distanz halten oder Frauen zum kürzeren Monatszyklus zwingen. Damit nicht genug. Der moschusähnliche Duft wird in der weiblichen Achsel dann vermehrt ausgeschüttet, wenn der Follikelsprung bald bevorsteht, d. h. etwa sieben Tage vor dem Eisprung.
Möglicherweise wird diese feine Duftverschiebung wahrgenommen. Immerhin bemerken nach meiner Studie 25,7 % der befragten Männer sowie 27,9 % der homosexuellen und bisexuellen Frauen einen zyklusbedingten Körpergeruch an ihren Partnerinnen.
Zudem erreicht bei Frauen die Geruchsempfindlichkeit gegenüber Exaltolid, einem moschusartigen Duftstoff, ihren Höhepunkt zum Zeitpunkt des Eisprungs. Der Moschusduft ist nun wiederum in der Achsel des Mannes wesentlich präsenter als bei der Frau, und: Frauen sind hundertmal sensibler gegenüber diesem Duft als Männer.
Dies alles hängt mit den Hormonen zusammen. Sie sind es, die diese Empfindlichkeit regeln, sie sind es auch, die den Arbeitsrhythmus bestimmter Duftdrüsen, den der apokrinen Schweißdrüsen, regeln. Da diese Drüsen ihre Tätigkeit erst nach der Pubertät aufnehmen, liegt die Vermutung nahe, dass Körpergeruch und Sexualität eine enge Beziehungen unterhalten.
Und in der Tat gibt es eine Reihe von Zusammenhängen, wie wir gesehen haben, die diese Annahme bestätigen. Zu erwähnen sind hier auch zwischenmenschliche Verhaltensweisen, die den Zusammenhang von Körpergerüchen und Sexualität verdeutlichen. Bekannt ist beispielsweise, dass Verliebte ungemein in den Geruch der geliebten Person vernarrt sind.
Nicht nur Johann Wolfgang von Goethe schnupperte beseelt am gestohlenen Mieder der Frau von Stein, sondern auch ein Großteil meiner Befragten „vergriff“ sich an Kleidungsstücken ihres Partners oder ihrer Partnerin.
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Warum macht man das?
68,6 % der Teilnehmer wollten sich auf diesem Wege an die entsprechende Person erinnern, 37 % benutzten getragene Wäsche als Einschlafhilfe, und 6,7 % schnupperten am T-Shirt oder Slip, um sich sexuell zu stimulieren.
Das hat nun weder etwas mit Fetischismus zu tun noch ist dieses Verhalten ausschließlich in unserem Kulturkreis anzutreffen. In seinem Buch Reisen in den Philippinen schildert Fedor Jagor (1873), dass Verliebte beim Abschied getragene Wäsche austauschen, um während der Trennung den Geruch des geliebten Wesens einzuschlürfen.
Überhaupt gibt es Sitten und Gebräuche, die uns zeigen, dass die Liebe durch die Nase geht. 1880 berichtet man beispielsweise, dass in einigen Gegenden von Böhmen Brautleute zumeist eine Nacht allein beisammen gelassen werden, um ein inniges Bekanntwerden zu ermöglichen. Sie sollen sich „zusammenriechen“.
Diese und viele andere Geruchsphänomene in Bezug auf die Sexualität haben Männer der alten Forschergeneration bewogen, umfangreiche Werke zu verfassen. Zu nennen sind etwa die Arbeiten von Augustin Galopin Le Parfum de la femme et le sens olfactif dans l’amour und Albert Hagen (Iwan Bloch) Die sexuelle Osphresiologie, die 1886 und 1901 veröffentlicht wurden.
In einer Zeit also, in der die hormonellen Prozesse noch nicht entschlüsselt waren und die Sexuallockstoffe auf ihren Entdecker, den Nobelpreisträger Adolf Friedrich Johann Butenandt, zu warten hatten.
Heute ist die Geruchsforschung ein ganzes Stück weitergekommen, und es waren in erster Linie die hormonellen Abläufe sowie die Hormonderivate Androstenol und Androstenon, die Aufschluss über den Zusammenhang von Geruch und Sexualität geben konnten, folglich Ergebnisse aus den Naturwissenschaften.
Hingegen schweigen sich Geisteswissenschaftler mehr oder weniger über dieses Thema aus. Es ist fast so, als wenn es für sie nichts zu erforschen gäbe oder es ihnen an Mut fehlte, die Nase in „üble“ Gerüche zu stecken und den eigenen Methoden zu trauen.
Schlusswort
Der Geruchssinn war gerade der Geisteswissenschaft schon immer suspekt, weil er vom Gefühl geleitet wird und sich höchst selten von der Ratio an die Kandare nehmen lässt. Deswegen spricht man auch vom niederen Sinn oder vom Sinn ohne Erkenntnis.
Und deshalb ist man auch geneigt, den Forschungsergebnissen aus den Naturwissenschaften Gehör zu schenken, weil deren Geruchsexperimente objektive Daten erbringen und man die Riechzellen unter dem Mikroskop sehen oder Ströme bei Duftwahrnehmungen im Gehirn fotografieren kann.
Ich wollte mit meiner Untersuchung zeigen, das Misstrauen gegenüber alltäglichen Beobachtungen und Beschreibungen ist oft unbegründet. Vieles von dem, was ich etwa in Reiseberichten, völkerkundlichen Arbeiten und nicht zuletzt in der schöngeistigen Literatur über sexuelle Gerüche finden konnte, wurde von der Naturwissenschaft bestätigt.
Auch haben meine Befragungsergebnisse Angaben zum Beispiel aus den Fachdisziplinen Biologie, Neurobiologie, Medizin und klinische Psychologie unterstrichen. Ich plädiere deshalb für einen interdisziplinären Forschungsansatz und damit für eine Forschung, die die Ergebnisse aus den verschiedensten Disziplinen verknüpft, und die nicht nur an das glaubt, was man sieht.